Pheromone sorgen für Verwirrung an der Mosel

Wo früher ein Insektizideinsatz notwendig war, werden seit ca. 15 Jahren Pheromone eingesetzt um die Ernte der Winzer vor dem Traubenwickler, einem der bedeutendsten tierischen Schädlinge im Weinbau, zu schützen. Nachdem lange Zeit allein der „Einbindige Traubenwickler“ im Luxemburger Weinbau vertreten war, kam mit dem 2014 erstmals nachgewiesenen „Bekreuzten Traubenwickler“ eine weitere Art dazu. Beide Falterarten entwickeln in der Regel zwei Larvengenerationen pro Jahr. Sie legen ihre Eier an jungen Gescheinen oder Beeren ab, wo die Larven nach dem Schlupf durch ihre Fraßtätigkeit Schäden verursachen. Die Larven der ersten Generation werden Heuwurm genannt, sie schädigen die Blütenstände indem sie sich in einzelne Blüten bohren und an den Blütenorganen fressen.

Die zweite Generation wird als Sauerwurm bezeichnet. Die Larven dieser Generation fressen sich in die unreifen Beeren. Zusätzlich zu den dadurch entstehenden Fraßschäden können die vorgeschädigten Beeren durch Grauschimmel oder andere Sekundärbesiedler befallen werden. Für die Paarung der Traubenwickler geben die weiblichen Falter über eine Drüse ein artspezifisches Sexualpheromon ab, das von den Männchen derselben Art wahrgenommen wird. Die Männchen folgen der Richtung aus der dieser Lockstoff kommt und finden so die paarungsbereiten Weibchen. Seit Beginn der 2.000er Jahre wird das Prinzip dieses Paarungsverhaltens für die Bekämpfung des Traubenwicklers genutzt. Das auf Pheromonen basierende Verfahren ist bekannt unter den Namen Konfusionsverfahren oder auch Verwirr-Methode. Die artspezifischen weiblichen Sexuallockstoffe werden industriell hergestellt und in Form von Dispensern in den Weinbergsflächen verteilt, bevor der Flug der ersten Faltergeneration beginnt. Von den Dispensern geht eine für den Menschen nicht wahrnehmbare Duftwolke aus, die sich über der behandelten Fläche ausbreitet. Durch die Duftwolke gehen die Duftspuren der einzelnen Weibchen unter und die Traubenwicklermännchen können die begattungsbereiten Weibchen nicht finden, eine Begattung bleibt somit aus. Damit das Verfahren funktioniert, ist es wichtig, dass die Dispenser nach einem bestimmten Verteilschema und in einer Dichte von 500 Dispensern pro Hektar ausgebracht werden. Außerdem sollte eine möglichst große, zusammenhängende Fläche behandelt werden. Die Hersteller der Pheromonprodukte empfehlen eine Mindestgröße von 20 Hektar bei einer geschlossenen Weinbergslage oder von 1 Hektar für abseits gelegene Weinberge. Randbereiche müssen intensiv mitbehandelt werden, um das Risiko eines Zuflugs bereits begatteter Weibchen und auch das Risiko einer Verwehung der Pheromonwolke zu vermindern. Je größer das Gebiet ist, desto besser wirkt die Methode. Da das biotechnische Verfahren bei bestimmten Bedingungen, wie beispielsweise einer zu hohen Populationsdichte, an seine Grenzen stoßen kann, ist eine Erfolgskontrolle unabdingbar. Für diese Kontrolle werden Pheromonfallen ausgebracht, die regelmäßig auf Motten der Traubenwicklerarten kontrolliert werden müssen. Werden in den Fallen mehr als 10 Falter pro Falle und Generation gefangen, kann dies ein Hinweis auf eine erhöhte Populationsgröße sein. Für die einzelnen Generationen gelten bei einem potentiell auftretenden Befall unterschiedliche Schadschwellen, ab denen zusätzlich zu dem Konfusionsverfahren ein Insektizideinsatz erforderlich sein kann. Bevor eine Insektizidbehandlung erfolgen darf, müssen die Fraßschäden an 100 Gescheinen oder Trauben erfasst werden, um so zu überprüfen, ob die Schadschwellen überschritten wurden. Bei der Heuwurmgeneration liegt die Schadschwelle bei 15-30 % Eibesatz. Bei der Sauerwurmgeneration dagegen gilt die Schadschwelle bereits bei 3-5 % Eibesatz als überschritten, da ein Schaden durch die Sauerwurmgeneration oft mit dem Risiko eines Botrytis-Befalls verbunden ist.

Das Konfusionsverfahren wird aktuell nahezu auf der gesamten Ertragsrebfläche der Luxemburger Mosel angewendet. Verglichen mit anderen weinproduzierenden Ländern, erreicht Luxemburg einen sehr guten Wert bei der biologischen Bekämpfung des Traubenwicklers, der durch den großflächigen Einsatz der Pheromone in den behandelten Gebieten kaum noch auftritt. Eine Insektizidanwendung kann somit bis auf sehr wenige Ausnahmen ausbleiben. Auch wenn in unseren Breitengraden hauptsächlich der Einbindige Traubenwickler vorkommt, wurde das Konfusionsverfahren nach dem Erstauftreten des Bekreuzten Traubenwicklers ab dem Jahr 2015 auf beide Traubenwicklerarten ausgeweitet. Das biotechnische Verfahren wird in Luxemburg als Teil des Agrarumweltförderprogrammes “Biotechnische Bekämpfung des Traubenwicklers“ subventioniert.

 

Mareike Schultz -
Institut viti-vinicole
 
Traubenwickler-Schadbild Heuwurm (Foto: Marc Walerich).
 

Die „Spaghetti-Dispenser“ wirken gegen beide Traubenwickler-Arten (Foto: IVV).

 

Pheromonfallen dienen der Kontrolle (Foto: IVV).

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