Die Zukunft steht auf PIWI
Solaris, Cal 6-04, Pinotin und Bronner, dies alles sind Bezeichnungen für pilzwiderstandsfähige Rebsorten – kurz Piwis.
In den letzten Jahren tauchen solch ungewohnte Bezeichnungen neben den klassischen Rebsorten wir Riesling, Rivaner und Co vermehrt auf. Für die Produktion von qualitativ hochwertigen Trauben müssen die Winzer auf eine Reihe von Massnahmen zurückgreifen. Dazu gehören variable Massnahmen wie der Rebschnitt im Winter, Laubarbeiten und Pflanzenschutzbehandlungen während der Vegetationsperiode und die richtige Terminierung des Lesezeitpunkts, um nur Einige zu nennen. Im Vorfeld der Massnahmen, die die Winzer jährlich neu an die Gegebenheiten anpassen können, stehen bei der Neuanlage eines Weinbergs langfristige Entscheidungen. Von besonders großer Bedeutung ist dabei die Entscheidung, welche Rebsorte gepflanzt werden soll. In den letzten Jahren fällt die Wahl bei der Pflanzung immer häufiger auf Piwis, die über Widerstandsfähigkeit gegenüber gängigen pilzlichen Schaderregern im Weinbau, wie dem Echten- und Falschen Mehltau, verfügen.
Die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Piwi-Sorten gegenüber den Pilzkrankheiten ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Sorte Bronner beispielsweise verfügt über keine Widerstandfähigkeit gegenüber Graufäule, aber über eine gute Widerstandsfähigkeit gegenüber den oben genannten Mehltau-Erregern. Der Ursprung der Piwis geht auf Kreuzungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Zu dieser Zeit wurden internationale Transportwege einfacher zugänglich und der Austausch von Pflanzgut nahm zu. Es kam vor, dass mit den importierten Pflanzen auch Schädlinge eingeschleppt wurden. Von großer Bedeutung für den europäischen Weinbau war die Einschleppung von drei Schädlingen amerikanischen Ursprungs: Echter- und Falscher Mehltau und die Reblaus. Bei der Suche nach Lösungsansätzen für die Bekämpfung der neuen Schädlinge, wurden Kreuzungsarbeiten durchgeführt, bei denen widerstandsfähige Amerikanerreben mit europäischen Vitis vinifera-Reben gekreuzt wurden. Die daraus entstandenen interspezifischen Sorten, konnten allerdings den Ansprüchen an die Weinqualität nicht gerecht werden. Aus bis heute andauernder internationaler Forschungsarbeit, bei der Rückkreuzungen der interspezifischen Sorten mit Vitis vinifera-Sorten vorgenommen wurden, gingen weitere Piwi-Generationen hervor. Züchtungsziele sind neben einer verbesserten Widerstandsfähigkeit, beispielsweise durch Auflockerung der Traubenstruktur oder robustere Beerenhaut die Verbesserung der Weinqualität. Das Weinbauinstitut führt seit den 90er Jahren Versuche mit unterschiedlichen Piwi-Sorten durch; derzeit befinden sich die folgenden Sorten im Versuchsanbau: Bronner, Cabernet Blanc, Cabaret Noir, Helios, Johanniter, Muscaris, Pinotin, Solaris, Souvignier Gris, Villaris und Cal 6-04.
Für die einzelnen Sorten werden über mehrere Jahre Daten zu der phänologischen Entwicklung, den Ertrags- und Reifeparametern und der Weinqualität erhoben, um ihre Eignung für das Anbaugebiet zu prüfen. Seit 2017 wird zusätzlich untersucht, ob Piwis für die Herstellung von Crémant geeignet sind. Die Ergebnisse des Versuchausbaus können im Rahmen einer jährlichen Piwi-Probe verkostet werden. Die Winzer erhalten bei dieser Gelegenheit einen Eindruck und können abwägen, ob die vorgestellten Piwis eine interessante Ergänzung für ihren Betrieb darstellen könnten. Mit der Großherzoglichen Verordnung vom 26. November 2014 wurde die Liste der zugelassenen Rebsorten ausgeweitet, bei dieser Gelegenheit wurden einige Piwi-Sorten aufgenommen. Momentan sind knapp 10 pilzwiderstandsfähige Sorten für den Anbau und die Produktion von Basisweinen im Rahmen der AOP Moselle luxembourgeoise zugelassen. Piwis werden durch 10 Betriebe auf einer Gesamtfläche von circa 350 Ar angebaut. Die meist angebauten Sorten sind Cabernet Blanc und Pinotin.
Auch wenn Piwis momentan noch einen geringen Prozentsatz der Rebfläche ausmachen, steigt das Interesse seitens der Winzer für deren Anbau zunehmend. Nachdem zunächst insbesondere Biobetriebe auf Piwis gesetzt haben, werden diese mittlerweile vermehrt auch von integriert arbeitenden Betrieben gepflanzt. Der Vorteil der widerstandsfähigen Sorten besteht neben einer Erweiterung des Rebsortensortiments darin, dass sie nicht oder nur in geringem Umfang mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden müssen. Je nach Befallsdruck durch Pilzkrankheiten in den einzelnen Jahren, ist es möglich den Pflanzenschutz auf wenige Behandlungen in den empfindlichsten Stadien der Rebentwicklung zu reduzieren. Dieser Vorteil macht sie besonders attraktiv für steile und schwer zugängliche Lagen oder in der Nähe von Wohngebieten und Gewässern.
Durch die verminderte Notwendigkeit von Pflanzenschutzbehandlungen ist der Anbau von Piwis ein wichtiger Baustein im Nationalen Aktionsplan zur Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln. Auch wenn die Forschung bereits seit vielen Jahren an der Weiterentwicklung widerstandsfähiger Sorten arbeitet, reagieren die Verbraucher momentan noch sehr verhalten. Ein Grund dafür sind die unbekannten und teilweise etwas ungewöhnlichen Bezeichnungen der Piwis. Der Verbraucher greift häufiger auf die ihm bekannten Rebsorten zurück. In selbst vermarktenden Betrieben hat der Winzer die Möglichkeit, seine Kunden über sein Produkt zu informieren, im Handel gestaltet sich dies schon schwieriger.
Neben dem sortenreinen Ausbau stellen Piwis eine interessante Möglichkeit als Verschnittpartner für Cuvées dar, die sowieso einen meist phantasievollen Namen tragen.
Mareike Schulz, Institut viti-vinicole