Stallbau aktuell:
Auf Erkundungsreise: So bauen die Milchviehbetriebe in Mitteldeutschland
Um über den Tellerrand hinauszuschauen und um zu sehen wie andere Betriebe es machen, veranstaltet die ALB (Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Bauwesen Rheinland-Pfalz/Saarland) jährlich eine Baulehrfahrt.
Die diesjährige Fahrt führte über Rheinland-Pfalz nach Hessen und schließlich nach Thüringen. Einige Betriebe dieser Reise seien hier beispielhaft vorgestellt.
300 Milchkühe - Neubau auf der grünen Wiese
Der Betrieb Steuernagel-Marsch aus Alsfeld-Eudorf liegt in einer eher ackerbaulich geprägten Region in Mittelhessen. Trotzdem entschied sich der Betrieb in die Milchwirtschaft zu investieren. Der Familienbetrieb stand vor der Entscheidung, in die alten Stallungen im Dorf zu investieren oder einen neuen Betriebssitz zu bauen. Die Wahl fiel auf den Neubau eines modernen Milchviehstalls im Außenbereich. Hier entstand im ersten Bauabschnitt ein Stallneubau für 220 Kühe mit separatem Melkhaus. In diesem Jahr wurde der Stall erweitert, so dass jetzt 300 Kühe gemolken werden können.
Gemolken wird in einem 2x12 Fischgrätenmelkstand mit Schnellaustrieb. Die Milchwirtschaft, sowie rund 115 ha Ackerbau und 60 ha Grünland werden von insgesamt 3,5 AK plus einem Lehrling und einem Praktikant betrieben. Der Betriebsleiter Herr Steuernagel sieht seine Zukunft ganz klar in der Milchwirtschaft, der Stall ist so aufgebaut das er gespiegelt werden kann, das heißt auf bis zu 600 Kühe erweitert werden kann. Im nächsten Jahr möchte der Betrieb noch eine Biogasanlage bauen.
Es gibt auch Alternativen:
Direktvermarktung, Hofcafé, Biogas und 140 Milchkühe
Wächtersbach ist ein kleines überschaubares Städtchen am Rande des Spessarts, etwa auf halber Strecke zwischen Frankfurt und Fulda. Die meisten Einwohner arbeiten im Frankfurter Ballungszentrum. Landwirtschaft konkurriert hier – ähnlich wie in Luxemburg mit dem steigenden Bedarf an Bauland und kämpft mit den hohen Grundstückspreisen. Im Ortsteil Neudorf, mitten in einem Wohngebiet, befindet sich der Weidenhof der Familie Müller.
(Bild 1: Optisch gut gelungener funktioneller Milchviehstall mit separatem Melkzentrum auf dem Betrieb Steuernagel-Marsch)
Armin Fuchs - Agraringenieur
Ein gewachsener Betrieb, der in den 50er Jahren ausgesiedelt ist und mittlerweile wieder vom Dorf eingeholt wurde. Eingeschlossen vom Dorf auf der einen und einem Naturschutzgebiet auf der anderen Seite, bleiben dem Betrieb nicht viele Möglichkeiten zum Wachsen. Also lautet die Devise, das Beste aus dem Standort herauszuholen. So werden heute in den alten Stallungen, die teilweise modernisiert und erweitert wurden, 140 Milchkühe mit Nachzucht gehalten. Darüber hinaus baute man eine Biogasanlage, und stieg bereits 1996 in die Direktvermarktung eine.
Der Betrieb verarbeitet heute von den 1,2 Mio kg erzeugte Milch 350.000 kg selbst. Daraus wird vor allem Frischmilch, die im Lieferservice und an Schulen vertrieben wird, hergestellt. Es werden aber auch Jogurt, Quark und Käse in der Hofeigenen Molkerei produziert. 2010 eröffnete die Familie Müller das „Weidenhof Q“ – ein Hofcafé. Dort wird die wachsende Zahl der Touristen nach der Hofbesichtigung verköstigt werden. Aber auch hungrige Radfahrer und Wandergruppen besuchen den Weidenhof.
(Bild 2: Fast alle besuchten Betriebe betreiben auch eine Biogasanlage oder planen eine zu bauen. Hier die Fermenter auf dem Weidenhof in Wächtersbach.)
Landwirtschaft „en gros“ Agrargenossenschaft Goldbach e.G“
3.076 ha Ackerfläche, 214 ha Grünland, 760 Milchkühe - wir sind in Thüringen. Die Agrargenossenschaft Goldbach hat Ihre Milchviehaktivitäten in der Nessetalmilch GmbH zusammengefasst. Am Standort in Goldbach -eine alte DDR LPG, wurde im letzten Jahr in moderne Technik investiert. So sind die Milchkühe, die bisher in alten DDR Standartställen gehalten wurden, in einen neuen Boxenlaufstall umgezogen. Die alten Gebäude werden noch teilweise für Jungvieh und Trockensteher genutzt, sollen aber in nächster Zukunft erneuert werden. Gemolken wird in einem 50er Außenmelker-Karussell. Das Melkzentrum ist mit dem Stall über einen Treibgang verbunden. Im neuen Stall können ca. 800 Kühe untergebracht werden. Es ist möglich, auch noch weitere Ställe an das Melkzentrum „anzuschließen“. Der Neubau wurde so ausgelegt, das Arbeiten die zu automatisieren sind, automatisiert wurden. So erfolgt das Treiben der jeweils zu melkenden Kuhgruppe aus dem Stall zum Melkzentrum und zurück voll automatisch. Der Melker am Karussell gibt per Knopfdruck das Signal und alle für diese Gruppe benötigte Nachtreiber, Gitter und Tore nehmen Ihre Arbeit auf, oder gehen in die richtige Position. Bei Nessetalmilch arbeiten insgesamt 14 Mitarbeiter, täglich werden 18,5 Tonnen Milch erzeugt, die Milchleistung liegt bei durchschnittlich 9.800 kg. (Bild 3: Moderner Kälberstall mit unterschiedlichen Klimazonen bei der Nessetalmilch GmbH.)
Getrennt von den melkenden Kühen wird die Transitgruppe teilweise auf Stroh gehalten. Der Stall für diese Gruppe ist direkt an das Melkzentrum angebunden und ermöglicht auch hier kurze Wege. Viel Wert wird auch auf die Kälberaufzucht gelegt. Die kleinsten Kälber werden bis ca. zum 8 Tag in Iglus gehalten. Danach kommen sie in den neuen Außenklimastall auf Stroh, wobei für die Kälber in der Tränkephase Gruppeniglus an den Stall angebaut sind und so für das optimale Kleinklima sorgen.
LAPROMA – Schloßvippach
Schloßvippach liegt mitten im fruchtbaren Thüringer Becken. Die landwirtschaftliche Erzeuger- und Handels AG LAPROMA entstand aus 2 ehemaligen DDR LPG's. Heute werden am Standort Schloßvippach 850 Kühe und 800 Stück weilbliche Nachzucht gehalten. Der Betrieb verfügt zurzeit über eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 2.360 ha. Grünland ist aufgrund der geringen Niederschläge (471 mm) auf allen Betrieben der Region kaum vorhanden, die LAPROMA bewirtschaftet gerade einmal 0,64 ha.
Die Tiere befinden sich in alten DDR Ställen, die vorbildlich modernisiert wurden. Dabei wurde vor allem viel Wert auf eine gute Luftführung und Klimatisierung gelegt. Insgesamt ist dem Betriebsleiter Herrn Kirchner der Kuhkomfort sehr wichtig. Die Milchleistung liegt auch dadurch pro Kuh durchschnittlich bei rund 10.300 kg/Jahr. Gemolken wird in einem Melkzentrum mit einem 2x24 Side-by-Side Melkstand. (Bild 4: Modernisiserte DDR Ställe bei der LAPROMA AG: Zahlreiche Ventilatoren sorgen auch an heißen Tagen für gutes Stallklima in den voll besetzten Ställen.)
Doch der Betrieb will wachsen. Neben der neuen Biogasanlage wird derzeit ein neuer Milchviehstall für rund 750 Kühe gebaut. Wenn der Stall Mitte 2013 in Betrieb genommen wird, wird dort das erste Roboter Melkkarussell der Marke DELAVAL in Europa seine Arbeit tun. Wohlgemerkt, die alten Stallungen bleiben in Betrieb, das will heißen, die LAPROMA melkt Ende 2013 rund 1600 Kühe.